Kletteraktion

Kletteraktion in Bern in Gedenken an Roger Nzoy Wilhelm

 

Bern, 26.08.2023 - Mit einer Kletteraktion in Bern gedenken Aktivist*innen der Allianz gegen Racial Profiling dem vor zwei Jahren durch die Regionalpolizei Waadt erschossenen Roger Nzoy Wilhelm. Die Allianz gegen Racial Profiling fordert eine unabhängige Untersuchung und das Ende von rassistischer Polizeigewalt.

Heute Morgen haben sich 4 Aktivist*innen der Allianz gegen Racial Profiling von der Monbijoubrücke in Bern mit einem Transparent abgeseilt. Mit dieser Kletteraktion gedenken die Aktivist*innen dem vor zwei Jahren durch die Regionalpolizei Waadt erschossenen Roger Nzoy Wilhelm. Auf dem Transparent wurden neben Roger Nzoy Wilhelm, drei weiteren durch die Schweizer Polizei ermordeten Menschen mit Rassismuserfahrung gedacht

Demonstration am 30. August am Bahnhof von Morges

Am 30. August 2023 um 18:00 Uhr findet am Bahnhof von Morges eine Demonstration zum zweiten Todestag von Roger Nzoy Wilhelm statt. Die Allianz gegen Racial Profiling ruft auf, an dieser Demonstration teilzunehmen.

Rassistische Polizeigewalt in der Schweiz

In der Schweiz kommt es regelmässig zu polizeilichen Übergriffen auf Schwarze Menschen, People of Color sowie gesellschaftlich benachteiligte weisse Personen. Roger Nzoy Wilhelm wurde am 30. August 2021 von einem Polizisten der Regionalpolizei im Bahnhof Morges erschossen. Der Fall von Roger Nzoy Wilhelm ist kein Einzelfall. In vielen Fällen endet es tödlich: Mike B. P. stirbt in der Nacht zum 1. März 2018 während einer Polizeiintervention in Lausanne. Hervé M. stirbt Ende am 6. November 2016 in Bex aufgrund mehrerer Schüsse eines Polizisten. Lamine F. wird am 24. Oktober 2017 verhaftet und um 11 Uhr tot in seiner Zelle gefunden. Am 6. Oktober 2017 stirbt Subramaniam H. in Brissago ebenfalls aufgrund eines Polizeieinsatzes. Samson C. stirbt am 1. Mai 2001 in Ausschaffungshaft, weil ein Polizist ihn auf seinem Körper liegend erstickte. Cemal G. stirbt am 3. Juni 2001 im Inselspital Bern, auch aufgrund eines lagebedingten Erstickungstodes und eines Schlages von einem Polizisten auf seinen Kopf. Der Palästinenser Khaled A. stirbt am 3. März 1999 auf dem Weg zum Flugzeug in Begleitung von drei Polizisten. Die Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs. Viele rassistische Gewaltvorfälle können an dieser Stelle nicht erwähnt werden, und viele weitere – so ist zu vermuten – sind nie bekannt geworden. Zu den zahlreichen Menschen, die aufgrund gewalttätiger Polizeiinterventionen kein öffentliches Gesicht erhalten, gehören auch Frauen und non-binäre Menschen.

Keine Sanktionen für rassistische Polizeigewalt

Die Fälle zeigen, wie gefährlich rassistische Polizeigewalt sein kann. Sie zeigen aber auch, wie schutzlos die davon betroffenen Menschen sind. Zu einem Schuldspruch wegen rassistischer Polizeigewalt kam es in der Schweiz bisher in keinem einzigen Fall. Die rechtsstaatlichen Anforderungen eines fairen Verfahrens laufen oftmals ins Leere, wenn die Polizei auf der Anklagebank sitzt. Polizist*innen müssen keine Sanktionen befürchten. Die Regel ist, dass die Justiz nicht die Gewaltopfer geschützt, sondern den Täter*innen geglaubt wird. Hinzu kommen hohe prozessuale, ökonomische und psychologische Hürden, wenn die Opfer und/oder Familie Rechtsschutz suchen. Ein Problem, welches die Beweisführung ebenfalls massiv beeinträchtigt, sind die unzulänglichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den Voruntersuchungen. Strafanzeigen gegen Angehörige der Polizei werden von Personen und Stellen behandelt, die in ihrem Alltag auf eine Zusammenarbeit mit den Beschuldigten oder deren Vorgesetzten angewiesen sind. Dies hat zur Folge, dass in der Tendenz einseitig zugunsten der Polizisten*innen ermittelt wird oder gar systematisch auf Freispruch hin untersucht wird – anstatt ausgewogen Fakten zusammenzutragen und die hierzu nötigen Abklärungen zu treffen. Auch ist es eine Tatsache, dass Straftatbestände nach der Voruntersuchung durch die Staatsanwaltschaft fallen gelassen werden, obwohl der Grundsatz gilt, dass im Zweifel eine Anklage erfolgen muss.

Allianz gegen Racial Profiling fordert eine lückenlose Aufklärung der Todesfälle

Aufgrund dieser systemischen Missstände im Rechtsstaat fordern wir von den Parlamentarier*innen von Bund, Kantonen und Städten, dafür zu sorgen, dass künftig von Regierung, Polizei und Staatsanwaltschaft gänzlich unabhängige Gremien dafür zuständig sind, bei Strafanzeigen gegen die Polizei zu ermitteln. Wir, Menschen gegen Polizeigewalt, halten eine lückenlose Aufklärung dieser Todesfälle für dringend notwendig. Wir fordern eine umfassende Prüfung des rechtlichen und polizeilichen Verfahrens, der Ermittlungsakten und Beweisführung der Justiz.